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StaRUG Zusammenfassung von Experten

Am 1. Januar 2021 ist das auf eine EU-Richtlinie zurückgehende StaRUG in Kraft getreten, das als `Gesetz der zweiten Chance´ verstanden werden will. Die Abkürzung steht für „Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz“.

starug_zusammenfassung-1.jpg Quelle: Floriane Vita on unsplash.com

Mit diesem Überblick wollen wir Ihnen zunächst eine knappe Zusammenfassung des StaRUG zu den folgenden, vorrangigen Fragen an die Hand geben:

Neben diesem Überblick über das Restrukturierungsverfahren werden wir in diesem Blog über Detailfragen berichten, so insbesondere auch über die Neuerungen für Geschäftsleiter und deren Haftung auch im Zusammenhang mit nunmehr geforderten Maßnahmen zur Krisenfrüherkennung.

1. Das Wichtigste zum Restrukturierungsplan im Überblick

a. Was ist der Restrukturierungsplan?

Kern des StaRUG ist der Restrukturierungsplan. Der Restrukturierungsplan ermöglicht eine flexible Gestaltung der Rechtsverhältnisse eines drohend zahlungsunfähigen Schuldners zu seinen Gläubigern (beispielsweise durch einen „Haircut“ von Finanzierungsverbindlichkeiten und die Anpassung bestehender Kreditverträge).

Es steht ein `Baukastensystem´ zur Verfügung, aus dem sich der Schuldner diejenigen Instrumente herausnehmen kann, derer er in seiner spezifischen Sanierungssituation bedarf. Der Restrukturierungsplan ist an den Insolvenzplan angelehnt und kann auch gegen den Widerstand dissentierender Minderheiten verbindlich durchgesetzt werden.

Dementsprechend handelt es sich auch nicht um ein Kollektivverfahren. Der Plan kann vielmehr auf die Einbeziehung bestimmter, nach „sachgerechten Kriterien“ (§ 8 StaRUG) ausgewählter Gläubigergruppen beschränkt werden, so z.B. Lieferanten von dem Verfahren unbeeinflusst lassen und dieses auf Finanzgläubiger beschränken.

Das StaRUG soll so die Lücke zwischen den Sanierungsmöglichkeiten innerhalb eines Insolvenzverfahrens und den außerinsolvenzlichen konsensualen Restrukturierungslösungen schließen und bei Letzteren insbesondere das Obstruktionspotential einzelner „Akkord-Störer“ ausschließen.

b. Welche Rechtsverhältnisse gestaltet der Restrukturierungsplan?

Bei der Ausgestaltung des Restrukturierungsplans und der mit ihm umzusetzenden Maßnahmen herrscht, wie beim Insolvenzplan auch, im Grundsatz Gestaltungsfreiheit, wobei das StaRUG ausdrücklich die folgenden Rechtsverhältnisse als der Gestaltung zugänglich hervorhebt:

  • Verbindlichkeiten des Schuldners (etwa durch (teilweisen) Forderungsverzicht)
  • vom Schuldner bestellte Sicherheiten
  • (gegen angemessene Kompensation) von mit dem Schuldner verbundenen Unternehmen bestellte Drittsicherheiten (etwa durch Sicherheitenfreigabe)
  • vertragliche „Einzelbestimmungen“ in mehrseitigen Rechtsverhältnissen zwischen dem Schuldner und einer Mehrzahl von Gläubigern; gemeint sind insbesondere Konsortialkreditverträge (etwa durch Verlängerung von Fälligkeiten, Änderung von sog. Covenants oder Kündigungsgründen in einem Konsortialkreditvertrag), aber unter Umständen auch Anleihebedingungen (wobei bei Letzteren im Einzelfall abzuwägen ist, ob die Einbeziehung in einen Restrukturierungsplan Vorteile gegenüber einer (ggf. parallelen) Restrukturierung der Anleihe nach den bestehenden Regelungen des Schuldverschreibungsgesetzes bringt)
  • in diesen mehrseitigen Verträgen oder im Zusammenhang damit abgeschlossenen Interkreditorenvereinbarungen enthaltene Regelungen zwischen den Gläubigern, an denen der Schuldner selbst – wie im Fall von Interkreditorenvereinbarungen – gar nicht beteiligt sein muss (etwa durch Änderung erforderlicher Zustimmungsschwellen in Konsortialkreditverträgen oder Anpassung von Interkreditorenvereinbarungen)
  • an dem Schuldner bestehende Anteils- und Mitgliedschaftsrechte (etwa durch Debt-to-Equity-Swap).

Zu beachten ist, dass nach dem Vorbild des § 225a InsO auch die Beteiligung an dem Schuldner selbst, also die Rechte der Gesellschafter in den Plan einbezogen werden können. Dies war in der Diskussion als Einleitungshindernis kritisiert worden, weil der Gesellschafter so Gefahr laufe, seine Beteiligung im Rahmen der Restrukturierung zu verlieren, folgt aber dem Leitbild der weitgehenden Gestaltungsfreiheit.

Praxishinweis von Frau Dr. Schümann-Kleber:

Während der ursprüngliche Entwurf des StaRUG zunächst nur die Einbeziehung von Drittsicherheiten durch Tochtergesellschaften („Upstream-Besicherung“) vorsah, erfasst das StaRUG in seiner nun in Kraft getreten endgültigen Fassung auch Drittsicherheiten, die von Gesellschaftern („Downstream-Besicherung“) oder Schwestergesellschaften („Cross-Stream-Besicherungen“) des Schuldners bestellt worden sind. Diese Ausweitung ist zu begrüßen, da auch Down- und Cross-Stream-Sicherheiten typischerweise Bestandteil von Konzernfinanzierungen sind.

Soweit gruppeninterne Drittsicherheiten in den Restrukturierungsplan einbezogen werden, muss der Wert der Drittsicherheiten entsprechend abgegolten werden. Die Regelung ist daher – uE zu Recht – vor allem als eine Maßnahme zur Vermeidung von Störpotential und von Folgeinsolvenzen dadurch zu verstehen, dass die Verwertung der Drittsicherheiten im Rahmen des Restrukturierungskonzepts koordiniert nach dem Vorbild des § 166 InsO erfolgt. Sie schafft darüber hinaus aber auch die Möglichkeit, neue Finanzierungen flexibel zu gestalten, indem frei werdende Drittsicherheiten neuen Finanzierungsgläubigern zur Verfügung gestellt werden können.

Von der Einbeziehung in eine Restrukturierung nach dem StaRUG ausgeschlossen sind jedoch die folgenden Forderungen:

  • Forderungen von Arbeitnehmern aus ihrem Arbeitsverhältnis
  • Forderungen aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen
  • Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungs- und Zwangsgelder sowie vergleichbare Strafzahlungen

Zudem können – anders als noch in der ursprünglichen vorgeschlagenen Entwurfsfassung der Bundesregierung vorgesehen – durch Instrumente des StaRuG bestehende, von beiden Vertragsparteien noch nicht vollständig erfüllte Vertragsverhältnisse, nicht beendet werden.

c. Wie läuft die Abstimmung über den Restrukturierungsplan ab?

Zur Abstimmung über den Plan werden die in den Plan einzubeziehenden Beteiligten in Gruppen von Betroffenen mit gleicher Rechtsstellung eingeteilt.

Im Regelfall sind dies:

  1. Gläubiger mit Sicherungsrechten
  2. Unbesicherte Gläubiger
  3. Gläubiger, deren Forderungen in einem Insolvenzverfahren nachrangig wären (z.B. Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens einer GmbH; s. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO)
  4. Anteilsinhaber

Betroffene innerhalb derselben Gruppe sind in dem Restrukturierungsplan grundsätzlich gleich zu behandeln. Die Auswahl der einzubeziehenden Beteiligten darf außerdem nicht willkürlich sein. Sie muss durch das konkrete Vorhaben begründet sein. So rechtfertigt z.B. die Tatsache, dass eine Forderung aus einem staatlichen Hilfsprogramm im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie resultiert, allein keine andersartige Behandlung, weshalb im Grundsatz Forderungen aus staatlichen Hilfsprogrammen mit allen übrigen Finanzverbindlichkeiten gleich zu behandeln sind.

Aber: Die Auswahl ist in aller Regel dann nicht willkürlich, wenn zwar ausschließlich, aber doch alle Finanzgläubiger in das Verfahren einbezogen werden.

Zur Annahme des Restrukturierungsplans ist grundsätzlich die Annahme durch jede Gruppe mit mindestens 75% der Stimmrechte erforderlich. Die Stimmrechte richten sich nach folgenden Kriterien:

BeteiligterKriterium
Gesicherte GläubigerWert der Sicherheiten
Ungesicherte GläubigerBetrag der Forderung
Anteilsinhaber

Nomineller Anteil am gezeichnetenKapital oder Vermögen des Schuldners

Dissentierende Gläubigergruppen können allerdings überstimmt werden, wenn

  • die Betroffenen durch den Plan nicht schlechter gestellt werden als sie ohne Plan stünden,
  • sie angemessen am wirtschaftlichen Wert der Restrukturierung beteiligt werden
  • und die Mehrheit der Gruppen zugestimmt hat (bei nur zwei Gruppen soll es insoweit sogar genügen, wenn nur eine Gruppe zustimmt).

Man spricht in diesen Fällen von einem sog. „Cross-Class Cram-Down“. Geregelt ist dieses Verfahren in § 26 StaRUG.

Praxishinweis von Frau Dr. Schümann-Kleber:

Durch eine geschickte Planarchitektur werden im Restrukturierungsplanverfahren Cram-Down-Entscheidungen auch gegen Mehrheiten möglich werden, wenn nur zwei Gruppen gebildet werden (dürfen). Dann nämlich genügt die Zustimmung der einen Gruppe, um die Gläubiger in der ablehnenden Gruppe zu überstimmen.

​​​​​​d. Was gilt für Sanierungsgewinne in steuerlicher Hinsicht?

Der Entwurf enthält – erwartungsgemäß – keinerlei Vorschriften zu den steuerlichen Folgen der Restrukturierung, weshalb es insoweit bei der Geltung des § 3a EStG verbleibt.

Praxishinweis von Herrn Prof. Dr. Hölzle:

Auch das Restrukturierungsverfahren wird daher regelmäßig durch die Einholung einer verbindlichen Auskunft flankiert werden müssen. Darin teilt das Finanzamt mit, wie es den Sanierungsgewinn steuerlich behandelt.

Der Erhalt einer verbindlichen Auskunft nimmt meist viel Zeit in Anspruch. Die Bearbeitungsdauer wird jedenfalls bei komplexen Restrukturierungen die Fristen für die Durchführung eines Restrukturierungsplanverfahrens deutlich übersteigen. Daher ist die rechtzeitige und umfassende Vorbereitung des Restrukturierungsprozesses unerlässlich.

Der nötige Zeitlauf auch unter Berücksichtigung zu erwartender Bearbeitungszeiten bei der Finanzverwaltung determiniert den Handlungsmaßstab des Geschäftsleiters und muss bei der Auswahl des „richtigen“ Sanierungsinstruments (konsensuale Restrukturierung, Restrukturierungsplan oder Eigenverwaltung?) berücksichtigt werden.

2. Publizität des Restrukturierungsverfahrens?

Das StaRUG soll außergerichtliche Sanierungen ermöglichen, deren Publizität sich im Grundsatz auf den Kreis der am Verfahren Beteiligten beschränkt. Aus diesem Grunde gibt es für die Aufnahme der Restrukturierungsverhandlungen und die Vorbereitung des Restrukturierungsplans keine formellen Voraussetzungen. Eine Veröffentlichung des Verfahrens findet daher ebenfalls nicht statt.

Unter Umständen muss der Schuldner sein Restrukturierungsvorhaben aber dem zuständigen Gericht anzeigen. Das ist der Fall, wenn er eine der folgenden Maßnahmen plant:

  • Gerichtliche Vorprüfung des Plans
  • Gerichtliches Abstimmungsverfahren
  • Bestätigung des Restrukturierungsplans durch das Gericht (was zum Bespiel im Falle der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung zwingend erforderlich ist, sog. Cross-Class Cram-Down)
  • Stabilisierungsanordnungen (Vollstreckungs- und/oder Verwertungssperre)

Auch in diesen Fällen beschränkt sich die Publizität aber auf die an dem Verfahren Beteiligten, also die in das Verfahren einbezogenen Gläubiger.

Was gilt hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht im Restrukturierungsverfahren?

Die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Restrukturierungsgericht hat den Vorteil, dass Insolvenzantragspflichten während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache ruhen (§ 42 Abs. 1 StaRUG). Eine während des Verfahrens eintretende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hat der Schuldner dem Gericht jedoch anzuzeigen, wobei die Unterlassung dieser Anzeige strafbewehrt ist. Das Gericht hebt die Restrukturierungssache dann auf, es sei denn

  • das Restrukturierungsvorhaben ist schon so weit umgesetzt, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens offensichtlich nicht im Interesse der Gläubiger wäre
  • oder die Insolvenzreife resultiert aus der Kündigung oder Fälligstellung einer Forderung nach Anzeige der Restrukturierungssache beim Gericht und der Erfolg des Restrukturierungsplans ist überwiegend wahrscheinlich.

3. Anordnung eines „Moratoriums“

Bei dem vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren handelt es sich um ein Baukastensystem. Der Schuldner kann in verschiedene Schubladen greifen und sich die Instrumente herausnehmen, derer es im konkreten Fall bedarf. Zur Absicherung von Restrukturierungsvorhaben stellt das StaRUG als weiteres wichtiges Instrument ein sogenanntes „Moratorium“ zur Verfügung.

Das Gericht soll auf Antrag des Schuldners Stabilisierungsanordnungen treffen können, mit denen Gläubigern die Durchsetzung ihrer Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung und die Verwertung von Sicherheiten untersagt wird (§ 49 StaRUG).

Welche Dauer kann das Moratorium haben?

Das Moratorium soll für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten möglich sein. Die Anordnungsdauer kann unter bestimmten Umständen bei Unterbreitung eines Planangebots um einen weiteren Monat verlängert werden. Nach dem Antrag auf gerichtliche Bestätigung ist die Verlängerung auf bis zu acht Monate ab der Erstanordnung möglich.

Gegenüber wem gilt das Moratorium?

Die Stabilisierungsanordnung kann grundsätzlich mit Wirkung gegenüber allen Gläubigern (mit Ausnahme der Gläubiger, deren Forderungen nicht durch einen Restrukturierungsplan gestaltbar sind, vgl. oben unter 1.b.) angeordnet oder aber auf einzelne Gläubiger oder Gläubigergruppen beschränkt werden (§ 44 Abs. 2 StaRUG).

Praxishinweis von Herrn Prof. Dr. Hölzle:

In der Praxis wird daher genau abgewogen werden müssen, ob eine Erstreckung des Verfahrens insbesondere auf Lieferantengläubiger sachdienlich und sanierungsförderlich ist. Denn deren Einbeziehung wird regelmäßig die Kündigung der Linien durch Warenkreditversicherer, jedenfalls aber deren Einfrieren nach sich ziehen, was den Liquiditätsbedarf des schuldnerischen Unternehmens wegen der deutlichen Reduzierung von Zahlungszielen oder sogar des Umstellens auf Vorkasse merklich erhöhen würde. Ein dadurch entstehender Working Capital-Bedarf müsste dann wieder von Finanzierern bereitgestellt werden, weil gegenläufige Liquiditätsvorteile, wie im Insolvenzverfahren z.B. der Insolvenzgeldeffekt, dem gerade nicht gegenüberstehen.

Können Gläubiger während des Moratoriums einen Insolvenzantrag stellen?

Nein. Während des Moratoriums wird das Insolvenzantragsrecht für Gläubiger des Schuldners ausgesetzt (§ 58 StaRUG).

Praxishinweis von Herrn Prof. Dr. Hölzle:

Der Schuldner ist bei Erlass eines Verwertungsverbots verpflichtet, Erlöse aus besicherten Gegenständen zu separieren oder auszukehren (§ 54 Abs. 2 StaRUG). Dies betrifft die Einziehung sicherungsabgetretener Forderungen und die Veräußerung oder Verarbeitung beweglicher Sachen, an denen Sicherungsrechte bestehen. Abweichende Vereinbarungen mit den Berechtigten sind möglich. Das bedeutet, dass die Geschäftsführung bzw. der Restrukturierungsbeauftragte gehalten sein werden, nach Möglichkeit „unechte (Masse)Kreditvereinbarungen“ mit den Sicherungsnehmern abzuschließen, um Sicherheitenerlöse nicht separieren zu müssen.

§§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 54 StaRUG nehmen insoweit Bezug auf § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO. Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung zur Unanwendbarkeit des Verwertungsstopps auf Umlaufvermögen (BGH v. 24.01.2019 – IX ZR 110/17) muss in einem vorläufigen Insolvenzverfahren der vorläufige Insolvenzverwalter sicherstellen, dass die Sicherheitenbasis (Raumsicherungsübereignungen, sonstige Sicherheiten an Lagerbeständen, Vermieterpfandrechte) nicht durch weiteren Zugriff auf das Sicherungsgut reduziert wird. Diese Logik greift § 54 Abs. 2 StaRUG auf.

4. Wer steuert das Restrukturierungsplanverfahren und wann wird ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt?

Das Restrukturierungsverfahren ist als schuldnerautonomes Verfahren ausgestaltet. Grundsätzlich steuert daher der Schuldner das Restrukturierungsplanverfahren selbst und behält die Kontrolle über sein Unternehmen.

Sobald allerdings die Ebene der vollständig konsensualen Abwicklung verlassen wird, sieht das StaRUG die Einbeziehung eines Restrukturierungsbeauftragten als unabhängige Kontroll- und Vermittlungsinstanz durch das Restrukturierungsgericht vor.

Das Restrukturierungsgericht hat einen Restrukturierungsbeauftragten (von Ausnahmefällen abgesehen) insbesondere zu bestellen, wenn

  • Verbraucher, Kleinst-, kleine oder mittlere Unternehmen beteiligt werden,
  • Stabilisierungsanordnungen erlassen werden
  • oder absehbar ist, dass sich der Plan nur gegen den Widerstand einzelner Planbetroffener durchsetzen lassen wird (§ 73 StaRUG).

Der Umfang der dem Restrukturierungsbeauftragten übertragenen Kontroll- und Mitwirkungsbefugnisse liegt im Ermessen des Gerichts. Das Gericht kann den Restrukturierungsbeauftragten insbesondere auch als Sachverständigen mit bestimmten Prüfungsaufgaben betrauen.

Beispiele

Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit oder der Angemessenheit einer Entschädigung für die Freigabe konzerninterner Drittsicherheiten.

Praxishinweis von Herrn Prof. Dr. Holzmann:

Die vollständig autonome Durchführung des Verfahrens wird nach unserer Erwartung Theorie bleiben. Während rein konsensuale Restrukturierungen auch heute schon möglich sind, liegt der Vorteil des Verfahrens gerade in der Möglichkeit der Anordnung eines Moratoriums und der Überstimmung von Minderheiten. Die Inanspruchnahme dieser Möglichkeiten wird aber zwingend zu der Einsetzung eines Restrukturierungsbeauftragten führen, der weitreichende (Überwachungs- und Prüfungs-)Aufgaben und Befugnisse schon deshalb erhalten wird, weil die Restrukturierungsgerichte innerhalb des vom Gesetz vorgesehenen Zeitrahmens kapazitativ regelmäßig nicht in der Lage sein werden, das Vorhaben umfangreich zu prüfen.

Praxishinweis von Frau Dr. Schümann-Kleber:

Der Restrukturierungsbeauftragte ist nach dem StaRUG auf Grundlage angemessener Stundensätze zu vergüten, deren Höhe durch das Restrukturierungsgericht unter Berücksichtigung der Komplexität der Restrukturierungssituation und der Qualifikation des Restrukturierungsbeauftragten zu bestimmen ist. Die Vergütung soll sich im Regelfall auf bis zu EUR 350 pro Stunde für den Restrukturierungsbeauftragten selbst und bis zu EUR 200 pro Stunde für qualifizierte Mitarbeiter belaufen. Mit Blick auf die umfangreichen Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten einerseits (z.B. Forderungs- und Sicherheitenprüfung) und seine in § 75 Abs. 4 StaRUG vorgesehene Haftung gegenüber den Betroffenen andererseits, bleiben diese Stundensätze jedenfalls in größeren Restrukturierungen deutlich hinter einer marktüblichen Vergütung zurück. Es ist daher davon auszugehen, dass die Praxis in größeren und komplexeren Restrukturierungsfällen von der im Gesetz (§ 83 StaRUG) für besondere Fälle vorgesehenen abweichenden Vergütung (nach höheren Stundensätzen oder Bemessung auf Grundlage des Wertes der in den Restrukturierungsplan einbezogenen Forderungen oder des Unternehmensvermögens) Gebrauch machen wird.

Die gerichtliche Einleitung des Verfahrens ist davon abhängig, dass der Schuldner die voraussichtlichen Kosten des Verfahrens vorschüssig einzahlt. Anders als in einem Insolvenzverfahren die Gerichtskosten und die Vergütung des Insolvenzverwalters werden die Verfahrenskosten also nicht nachschüssig aus der „Masse“ bezahlt, sondern sind vorzustrecken. Das belastet die Liquidität gleich zu Beginn des Verfahrens, was insbesondere für Unternehmen, die akuten Liquiditätsbedarf haben, neben dem Fehlen der Insolvenzgeldvorfinanzierung einen erheblichen Liquiditätsnachteil gegenüber der Einleitung eines Insolvenzverfahrens begründet. Die entsprechenden Liquiditätsbedarfe muss der Schuldner dann gegebenenfalls durch Überbrückungsfinanzierungen etwa der beteiligten Finanzgläubiger decken.

Unabhängig von den Voraussetzungen, unter denen die Beteiligung eines Restrukturierungsbeauftragten zwingend erforderlich ist, kann auch ein „fakultativer Restrukturierungsbeauftragter“ (§ 77 StaRUG) bestellt werden. Dieser unterstützt den Schuldner und die Gläubiger ebenfalls bei der Ausarbeitung und Verhandlung des Restrukturierungsplans. Notwendig ist ein Antrag des Schuldners oder von Gläubigern, denen mehr als 25% der Stimmrechte in einer Gruppe zustehen.

5. Sind neue Finanzierungen vor Anfechtung abgesichert?

Der Restrukturierungsplan kann auch Regelungen über neue Finanzierungszusagen und deren Besicherung vorsehen (§ 12 StaRUG), wenn diese für das Gelingen der Restrukturierung erforderlich sind.

Die damit verbundenen Rechtshandlungen sollen (von Ausnahmefällen abgesehen) bis zum Eintritt einer „nachhaltigen Restrukturierung“ von einer späteren Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO ausgenommen sein (§ 90 Abs. 1 StaRUG). Mit der neuen Finanzierung verbundene Rechtshandlungen, die von der Anfechtung ausgenommen werden, sind allerdings nur die Valutierung und Besicherung, gerade nicht die Rückzahlung von Darlehen. Die Erbringung des Kapitaldienstes durch den Schuldner ist anfechtungsrechtlich daher in einem etwaig nachfolgenden Insolvenzverfahren nicht privilegiert.

Dies ändert allerdings nichts daran, dass jedenfalls die Besicherung neuer Finanzierungen einen gesteigerten Anfechtungsschutz genießt.

Außerdem sind die folgenden weiteren Einschränkungen des Anfechtungsprivilegs zu beachten:

  • Die anfechtungsrechtliche Privilegierung soll nicht für nachrangige Gesellschafterdarlehen und deren Besicherung gelten.
  • Darüber hinaus sollen (externe) Finanzierer durch den Anfechtungsausschluss nur vor einem Scheitern des geplanten Restrukturierungskonzepts geschützt werden, das wider Erwarten zu einer Insolvenz führt. Tritt die Insolvenz des Schuldners dagegen unabhängig von dem Restrukturierungsvorhaben zu einem späteren Zeitpunkt, und damit erst nach Eintritt einer „nachhaltigen Sanierung“ ein, greift der Anfechtungsschutz nicht mehr. Diese Einschränkung entspricht § 39 Abs. 4 S. 2 InsO, der eine Ausnahme vom insolvenzrechtlichen Nachrang für Sanierungsgesellschafterdarlehen regelt.

Daneben sollen weitere Rechtsrisiken, die in Zusammenhang mit Sanierungsfinanzierungen außerhalb von Restrukturierungsplänen bestehen, minimiert werden. So wertet das Gesetz Rechtshandlungen, die in Kenntnis eines Restrukturierungsplanvorhabens vorgenommen werden, nicht als sittenwidrigen Beitrag zur Insolvenzverschleppung (§ 89 Abs. 1 StaRUG).

6. Was ist die Sanierungsmoderation?

Unabhängig von dem Restrukturierungsplanverfahren sieht das StaRUG die Möglichkeit vor, auf Antrag des Schuldners für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten gerichtlich einen Sanierungsmoderator zu bestellen. Dieser soll in einer wirtschaftlichen Krise zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern vermitteln und bei der Ausarbeitung eines (konsensualen) Sanierungskonzepts unterstützen.

Die Sanierungsmoderation kann in die Ausarbeitung eines Sanierungsvergleichs münden, der, wenn er gerichtlich bestätigt wird, den gleichen anfechtungsrechtlichen Privilegien unterliegt wie die Maßnahmen eines Restrukturierungsplans.

Anders als der Restrukturierungsplan ermöglicht der Sanierungsvergleich allerdings keine Durchsetzung gegen den Willen obstruierender Gläubiger. Das Mittel der Sanierungsmoderation ist insbesondere für Kleinst- und Kleinunternehmen vorgesehen, welche die Kosten einer professionellen externen Sanierungsberatung finanziell schnell überfordern können.

7. Erste Bewertung des StaRUG

Der hohe Grad des StaRUG an Flexibilisierung eröffnet ein erhebliches Gestaltungspotential. Gleichzeitig bleibt das StaRUG allerdings insoweit hinter den denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten zurück, als in der ursprünglichen Entwurfsfassung des StaRUG noch ein Instrument vorgesehen war, mit dem bestimmte gegenseitige Verträge des Schuldners hätten beendet werden können; dieses Instrument, das besonders für Unternehmen mit Filialgeschäft von Interesse gewesen wäre, wurde in die nun in Kraft getretene endgültige Fassung des StaRUG nicht übernommen.

Das deutsche Restrukturierungs- und Sanierungsrecht wird durch die Regelungen des StaRUG sinnvoll ergänzt. Der geplante Restrukturierungsrahmen dürfte vor allem eine Lösung für Fälle bieten, in denen eine (insbesondere bilanzielle) Restrukturierung am Widerstand einzelner Akkord-Störer zu scheitern droht. Zu denken ist insbesondere an Unternehmen mit hohen Finanzierungsverbindlichkeiten (etwa auch in Folge der Inanspruchnahme der in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zur Verfügung gestellten KfW-Kredite), aber auch an Miet- oder Steuerverbindlichkeiten, die im Rahmen der COVID-19-Unterstützungsmaßnahmen gestundet worden sind.

Demgegenüber steht die Kritik, dass es sich bei dem Verfahren um ein rechtlich hochkomplexes Verfahren handelt, das einen erheblichen Beratungsbedarf erfordert. Das Verfahren will daher gut vorbereitet sein.

Wie groß die Vorteile bzw. der Anwendungsbereich neben gut vorbereiteten Eigenverwaltungsverfahren sein wird, kann erst die Praxis zeigen. Mit dem StaRUG wird das deutsche Sanierungs- und Restrukturierungsrecht aber weiter ausdifferenziert, Ausweichbewegungen in ausländische Rechtordnungen, die man in der Vergangenheit beobachten konnte, dürften sich so zum Teil verhindern lassen. Insbesondere infolge der Streichung der Vertragsbeendigungsmöglichkeiten wird man die Möglichkeiten ausländischer Rechtsordnungen – sofern anwendbar – aber weiterhin in die restrukturierungsrechtlichen Überlegungen einfließen lassen müssen.

Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht Prof. Dr. Hölzle ist Leiter unserer Serviceline Insolvenzrecht und seit vielen Jahren in Wissenschaft und Praxis ausgewiesen. Er hat bundesweit durch die Übernahme von Organfunktionen in großen Eigenverwaltungsverfahren (Senvion GmbH, KSM Castings Group GmbH, Bonita GmbH, Auot Wichert GmbH, KTG Energie AG) auf sich aufmerksam gemacht und gilt als einer der führenden Experten für komplexe Insolvenzplanstrukturen.

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Dr. Kirsten Schümann-Kleber ist Partnerin im Bereich Finanzierung/finanzielle Restrukturierung im Berliner Büro unserer Sozietät. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Beratung unterschiedlicher Stakeholder in der Krise bzw. Insolvenz ihrer Tochtergesellschaften bzw. (potenziellen) Vertragspartner. Daneben ist sie regelmäßig in komplexen Finanzierungs- bzw. Refinanzierungstransaktionen tätig. Die große Mehrzahl der von Dr. Kirsten Schümann-Kleber betreuten Mandate hat grenzüberschreitende Bezüge.

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Dr. Manuel Holzmann ist Rechtsanwalt in unserem Berliner Büro. Er ist spezialisiert auf die restrukturierungs- und insolvenzrechtliche Beratung von Unternehmen und deren Stakeholdern in Krisen- und Insolvenzsituationen. Weitere Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen im Bereich Gesellschaftsrecht/M&A und in der Beratung bei komplexen Finanzierungstransaktionen.

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