Das StaRUG sieht eine sog. Stabilisierungsanordnung vor, die Unternehmen deren Sanierungen erleichtern soll. Man spricht auch von einem Moratorium. Wir erklären Voraussetzungen und Folgen.
Inhalt
1. Was ist eine Stabilisierungsanordnung?
Das am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (kurz „StaRUG“) hat zahlreiche neue Sanierungsinstrumente implementiert. Nach Anzeige des Restrukturierungsvorhabens kann das Unternehmen beispielsweise auf die in §§ 49 ff. geregelte sogenannte Stabilisierungsanordnung zugreifen, welche insbesondere eine besondere Form von Moratorium zur Folge hat.
Es handelt sich hierbei um ein ganz wesentliches Element der gesetzlichen Neuerungen, welches dem Unternehmen Zeit und Raum zur Konzeption einer geordneten Restrukturierungslösung verschafft.
Auf Antrag des Unternehmens kann das Restrukturierungsgericht zur Erreichung der angestrebten Sanierung eine solche Stabilisierungsanordnung erlassen. Diese führt nach § 49 Abs. 1 für einen bestimmten Adressatenkreis sowohl zu einer Vollstreckungs- wie auch zu einer Verwertungssperre für das schuldnerische Vermögen. Die Anordnung kann sich gegen einzelne, mehrere oder alle Gläubiger richten.
Diesen Gläubigern ist es während der Dauer der Anordnung somit untersagt, die Zwangsvollstreckung gegen das Unternehmen zu betreiben oder Vermögensgegenstände zu verwerten.
Von der Anordnung und den hieraus folgenden Sperren können jedoch Forderungen aus Arbeitsverhältnissen oder aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nicht erfasst werden.
Außerdem sind auf Grundlage der Stabilisierungsanordnung dem Unternehmen die mit Aus- oder Absonderungsrechten belegten Gegenstände zur Fortführung des Betriebes zu belassen.
Praxishinweis von Herrn Dr. Timm Gessner:
Damit ist dem jeweiligen Gläubiger beispielsweise die Verwertung eines sicherungsübereigneten Gegenstandes oder der Abzug von Leasinggeräten verwehrt und es bleibt gewährleistet, dass der Sanierung nicht dadurch der Boden entzogen wird, dass Gläubiger ihre Interessen einseitig durchsetzen.
2. Was beinhaltet der Antrag auf Erlass einer Stabilisierungsanordnung?
Der Antrag des Unternehmens beim Restrukturierungsgericht auf Erlass einer solchen Stabilisierungsanordnung muss insbesondere Folgendes beinhalten:
- den Adressatenkreis
- die begehrte Dauer des Moratoriums
- einen Finanzplan, der eine gesicherte Finanzierung der Unternehmensfortführung für mindestens die nächsten sechs Monate ausweist
- eine Restrukturierungsplanung
Letzteres bedeutet eine umfassende Darlegung des geplanten Sanierungsvorhabens. So ist dem Gericht entweder bereits der Entwurf eines Restrukturierungsplanes nach §§ 5 ff. oder alternativ zumindest ein aktuelles Sanierungskonzept im Sinne des § 31 vorzulegen.
Praxishinweis von Herrn Dr. Timm Gessner:
Wie aktuell ein solches Konzept in einem laufenden Geschäftsbetrieb mit sich täglich verändernden Parametern sein muss, ist noch unklar. Inhaltlich muss ein solches Konzept aber insbesondere die Krisenursachen sowie das Restrukturierungsziel und die hierfür erforderlichen Maßnahmen benennen.
Ferner gelten Besonderheiten, wenn bereits erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern, aus Pensionszusagen oder aus dem Steuerschuldverhältnis bestehen. Zwar ist in diesem Fall der Erlass einer Stabilisierungsanordnung nicht ausgeschlossen, es werden hieran jedoch besonders strenge Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere muss das Gericht davon überzeugt sein, dass das Unternehmen trotz dieser „Vorgeschichte“ bereit ist, die Interessen aller Gläubiger zu wahren.
Das Gericht überprüft sodann die Restrukturierungsplanung im Wesentlichen auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit, wobei zusätzlich auch hinterfragt wird, ob ein Moratorium zur Verwirklichung des Restrukturierungsziels überhaupt erforderlich ist.
Praxishinweis von Herrn Dr. Timm Gessner:
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Restrukturierung gewöhnlich einen erheblichen Zeitdruck mit sich bringt. Wie eingehend also das Restrukturierungsgericht die Schlüssigkeit der Planung prüfen kann, bleibt abzuwarten. Anzunehmen ist, dass hier zunächst lediglich eine Plausibilitätskontrolle erfolgen wird. Kommt diese zu einem positiven Ergebnis, so wird die Stabilisierungsanordnung erlassen und allen hiervon betroffenen Gläubigern zugestellt.
3. Wie lange wird das Moratorium verhängt?
Sodann entfaltet die Anordnung je nach Beschluss des Restrukturierungsgerichts maximal für drei Monate Wirkung. Im Ausnahmefall kann das Moratorium durch eine Folge- oder Neuanordnung - nur gegenüber den Planbetroffenen - um einen Monat auf dann vier Monate verlängert werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass
- das Unternehmen den betroffenen Gläubigern zu diesem Zeitpunkt ein Planangebot bereits unterbreitet hat und
- damit zu rechnen ist, dass die Annahme innerhalb eines Monats zu erwarten ist.
Eine weitere Verlängerung der Stabilisierungsanordnung auf maximal acht Monate ist dann nur zulässig, wenn die Gläubiger den Restrukturierungsplan bereits angenommen haben und dieser dem Gericht zur Bestätigung vorgelegt worden ist. Dies gilt nachvollziehbarer Weise jedoch nicht, wenn der angenommene Restrukturierungsplan offensichtlich nicht bestätigungsfähig ist. Damit kann vermieden werden, dass längere Bearbeitungszeiten bei Gericht zu Nachteilen für den Sanierungsprozess führen.
4. Welche weiteren Folgen hat die Stabilisierungsanordnung?
Während der Dauer der Stabilisierungsanordnung gilt jedoch nicht nur eine Verwertungs- und Vollstreckungssperre. Vielmehr ist in dieser Zeit auch das Recht der Gläubiger, die Eröffnung eines Regel-Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmens zu beantragen, ausgesetzt. Hierdurch soll verhindert werden, dass das laufende Restrukturierungsvorhaben torpediert wird.
Im Übrigen schränkt die Stabilisierungsanordnung den Handlungsspielraum der Gläubiger des Unternehmens deutlich ein. So können sie sich während der Stabilisierungsanordnung grundsätzlich
- nicht ohne Weiteres von Verträgen mit dem Unternehmen lösen,
- Leistungsverweigerungsrechte, z.B. wegen rückständiger Leistungen des Unternehmens, geltend machen oder
- Forderungen vorzeitig fällig stellen.
Praxishinweis von Herrn Dr. Timm Gessner:
Diese Einschränkungen gelten allerdings nur, soweit die Leistung des Gläubigers für die Unternehmensfortführung relevant ist. Die Prüfung dieser Voraussetzung dürfte in der Praxis noch erhebliche Probleme mit sich bringen und ist für das Gericht eigentlich nur anhand des vorgelegten Planentwurfes oder Sanierungskonzeptes möglich.
Zu berücksichtigen ist hierbei noch, dass diese schuldrechtlichen Einschränkungen nach dem Gesetzestext offenbar für alle Gläubiger gelten sollen. Erfasst werden demnach nicht nur die Gläubiger, welche das Unternehmen in seinem Antrag auf Erlass der Stabilisierungsanordnung als Adressatenkreis bezeichnet hat.
5. Wann wird das Moratorium aufgehoben?
Die Stabilisierungsanordnung kann auch vor Ablauf der im Beschluss gesetzten Frist aus vielfältigen Gründen aufgehoben werden.
In der Praxis dürfte häufig streitig sein, ob eine Aufhebung nicht deswegen zu erfolgen hat, weil das Unternehmen während der Dauer der Stabilisierungsanordnung ihre Geschäftsführung nicht an den Interessen der Gläubigergesamtheit ausrichtet. Als Regelbeispiel hierfür sieht das Gesetz die Fälle vor, in denen die Restrukturierungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht oder die Rechnungslegung bzw. Buchführung des Unternehmens unvollständig und/oder mangelhaft ist.
Daneben sind jedoch auch weitere Fälle denkbar, die sich in der Praxis herausbilden werden. Bei der Überprüfung ist außerdem aktuell noch unklar, welchen Grad von Überzeugung des Restrukturierungsgerichts von diesen Umständen haben muss.
6. Fazit
Die Stabilisierungsanordnung ist ein wesentlicher Baustein der Sanierung nach dem StaRUG und greift weitreichend in die Rechte der Gläubiger ein. Allerdings sind diese Einschränkungen sinnvoll, um die laufende Restrukturierung nicht mit der Durchsetzung von Einzelinteressen zu torpedieren. Noch sind jedoch zahlreiche Praxisfragen im Detail offen und es ist zu erwarten, dass es insbesondere in den Anfangsmonaten noch erhebliche Unsicherheiten auf allen Seiten geben wird.
Dr. Timm Gessner
Autor dieses Beitrags
Dr. Timm Gessner ist Assoziierter Partner in unserem Hamburger Büro und wird selbst als Insolvenzverwalter bestellt. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt jedoch in der Vertretung anderer Insolvenzverwalter. Dort beschäftigt er sich mit der prozessualen Durchsetzung von typischen Ansprüchen in Insolvenzverfahren.