Insolvenzantragsgründe und -pflichten nach dem neuen Sanierungsgesetz (StaRUG / SanInsFoG) | StaRUG-Blog | GÖRG Blog

Insolvenzantragsgründe und -pflichten nach dem neuen Sanierungsgesetz (StaRUG / SanInsFoG)

Das neue StaRUG soll Unternehmen die Möglichkeit geben, außerhalb eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens eigenverantwortlich die Sanierung zu betreiben.

Eingangstor zum neuen Restrukturierungsverfahren ist das Bestehen eines bestimmten Insolvenzantragsgrundes im Sinne der Insolvenzordnung, nämlich der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Das lässt jedoch eine Reihe von Fragen offen:

jametlene-reskp-gvfggb62fpo-unsplash.jpg Quelle: jametlene reskp on unsplash.com

Insolvenzantragspflichten und StaRUG auf einen Blick:

  • Während der Rechtshängigkeit eines Restrukturierungsplanverfahrens besteht zwar keine Insolvenzantragspflicht; die Geschäftsleitung muss aber den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung unverzüglich dem Insolvenzgericht anzeigen.
  • Die Verletzung der Anzeigepflicht ist für die Geschäftsleiter strafbewehrt.
  • Auf die Anzeige der Insolvenzreife hin hebt das Gericht die Restrukturierungssache grundsätzlich auf. Es gibt jedoch Ausnahmen.
  • Der Gesetzgeber grenzt nunmehr die drohende Zahlungsunfähigkeit stärker von der Überschuldung ab. Erstere hat einen Prognosezeitraum von regelmäßig 24 Monaten, während der Prognosezeitraum der Fortführungsprognose für die Überschuldungsprüfung auf 12 Monate (bzw. übergangsweise bis Ende 2023 vier Monate, siehe oben) beschränkt wird.
  • Gläubigeranträge sind auch während des Restrukturierungsplanverfahrens grundsätzlich möglich. Ergeht allerdings eine Stabilisierungsanordnung, werden Verfahren über Fremdanträge ausgesetzt.

Was ändert das StaRUG an den Insolvenzantragsgründen?

Grundsätzlich bleiben nach Inkrafttreten des StaRUG die drei bisherigen Insolvenzantragsgründe erhalten:

  • Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)
  • drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO)
  • Überschuldung (§ 19 InsO)

Nicht jeder Insolvenzantragsgrund führt auch zu einer Insolvenzantragspflicht. Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind weiterhin verpflichtende Insolvenzantragsgründe. Für die drohende Zahlungsunfähigkeit bleibt es beim Insolvenzantragsrecht, eine Antragspflicht des Schuldners besteht nicht.

Liegt (nur) eine drohende Zahlungsunfähigkeit vor, hat der Schuldner demnach die Wahl, ob er Insolvenzantrag stellt, ein Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG einleitet oder sich um eine freie Sanierung – außerhalb besonderer rechtlicher Instrumente – bemüht.

Wie unterscheiden sich drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung?

Die wesentliche Änderung im Bereich der Insolvenzantragsgründe liegt in der Abgrenzung zwischen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung:

Bisher war die eigenständige Bedeutung der drohenden Zahlungsunfähigkeit gering. Oft überschnitt sich die drohende Zahlungsunfähigkeit mit der Überschuldung. Für beide Antragsgründe kommt es auf eine mittel- bis langfristige Prognose an, nämlich bei der Überschuldung auf die so genannte Fortführungsprognose und für die drohende Zahlungsunfähigkeit auf eine Liquiditätsprognose. Wegen der bislang unscharfen Abgrenzung zwischen den Prognosezeiträumen war im Ergebnis bei drohender Zahlungsunfähigkeit regelmäßig auch eine Antragspflicht aufgrund von Überschuldung gegeben.

Nach dem StaRUG kommt der drohenden Zahlungsunfähigkeit demgegenüber eine zentrale Rolle zu: Sie ist die Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, also insbesondere des neuen Restrukturierungsverfahrens.

Im Sinne einer frühzeitigen Sanierung grenzt sich der Anwendungsbereich der drohenden Zahlungsunfähigkeit nun schon zeitlich von der Überschuldung ab: Die drohende Zahlungsunfähigkeit hat einen Prognosezeitraum von regelmäßig 24 Monaten, während der Prognosezeitraum der Fortführungsprognose für die Überschuldungsprüfung auf 12 Monate beschränkt wird.

Aktueller Hinweis: Diese Frist hat der Gesetzgeber zur Abmilderung der Folgen der Energiekrise vorübergehend bis zum 31.12.2023 auf vier Monate herabgesetzt.

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll durch diese Klarstellung der Prognosezeiträume noch nicht überschuldeten, aber drohend zahlungsunfähigen Unternehmen der Zugang zu einer Restrukturierung erleichtert werden. Im Falle einer prognostizierten Liquiditätsunterdeckung nach mehr als 12 Monaten droht nun keine Überlappung mit der Überschuldung und damit keine Insolvenzantragspflicht mehr.

Praxishinweis von Herrn Dr. Dominik Pauw: Auch innerhalb der 12 Monate, die im Rahmen der Überschuldungsprüfung beleuchtet werden, wirkt sich das StaRUG aus: Besteht nämlich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der (erfolgreichen) Durchführung eines Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG, so kann dies für sich genommen eine Fortführungsprognose begründen und die Überschuldung ausschließen. Das gilt selbst dann, wenn noch nicht mit der konkreten Umsetzung eines Restrukturierungskonzeptes begonnen und ein förmliches Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG eingeleitet wurde.

Welche Insolvenzantragsfristen gelten?

Geändert haben sich parallel zur Einführung des StaRUG auch die Insolvenzantragsfristen, die in § 15a Abs. 1 S. 2 InsO gesetzlich geregelt sind:

Für die Zahlungsunfähigkeit bleibt es bei der bisherigen Dreiwochenfrist. Für die Überschuldung gilt hingegen ab dem 01.01.2021 eine verlängerte Antragsfrist von maximal sechs Wochen (bzw. bis zum 31.12.2023 acht Wochen).

Dabei ist zu beachten, dass beide Fristen Höchstfristen darstellen. Wird die Abwendung der Insolvenzreife schon vor Fristablauf aussichtslos, müssen die Geschäftsleiter sofort Insolvenzantrag stellen und dürfen nicht zu Lasten der Gläubigergemeinschaft den Ablauf der Höchstfrist abwarten.

Auch während dieser Fristen unterliegen die Geschäftsleiter schon besonderen Pflichten und Einschränkungen (oft "Notgeschäftsführung" genannt), insbesondere hinsichtlich Auszahlungen aus dem Vermögen der Schuldnerin. Bei Missachtung dieser Pflichten droht den Geschäftsleitern eine persönliche Haftung (insb. § 15b Abs. 4 InsO).

Ist die Insolvenzantragspflicht während des Restrukturierungsverfahrens ausgesetzt?

Von der Anzeige des Restrukturierungsvorhabens bis zum Abschluss oder Aufhebung des Verfahrens ruhen die gesetzlichen Insolvenzantragspflichten (§ 42 Abs. 1 StaRUG).

Die Gesellschaft und die Geschäftsführung sind jedoch verpflichtet, dem Restrukturierungsgericht den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder einer Überschuldung unverzüglich anzuzeigen (§§ 32 Abs. 3, 42 Abs. 1 S. 2 StaRUG).

Praxishinweis von Herrn Dr. Dominik Pauw: Auch während eines laufenden Restrukturierungsplanverfahrens muss die Geschäftsführung daher laufend und – der dann bestehenden Krisensituation entsprechend – engmaschig die Insolvenzreife der Gesellschaft überwachen und hierzu eine entsprechende Dokumentation erstellen.

Die Verletzung der Anzeigepflicht ist für die Geschäftsleiter strafbewehrt (§ 42 Abs. 3 StaRUG) und sollte daher unbedingt beachtet werden. Die Anzeige hat bei Eintritt der Insolvenzreife unverzüglich zu erfolgen. Die oben genannten Fristen für die allgemeine Insolvenzantragspflicht gelten hier nicht.

Was passiert bei Insolvenzantrag oder -anzeige im laufenden Restrukturierungsverfahren?

Auf die Anzeige der Insolvenzreife hin hebt das Gericht die Restrukturierungssache grundsätzlich auf (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). In diesem Moment leben die allgemeinen Insolvenzantragspflichten wieder auf (§ 42 Abs. 4 StaRUG).

Das Gericht kann jedoch von einer Aufhebung der Restrukturierungssache absehen, wenn

  • die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit Blick auf den erreichten Stand in der Restrukturierungssache offensichtlich nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen würde oder
  • wenn die eingetretene Insolvenzreife aus der Kündigung oder sonstigen Fälligstellung einer Forderung resultiert, die nach dem angezeigten Restrukturierungskonzept einer Gestaltung durch den Plan unterworfen werden soll, sofern die Erreichung des Restrukturierungsziels überwiegend wahrscheinlich ist.

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Fortsetzung der Restrukturierungssache jedoch die Ausnahme bleiben.

Stellt der Schuldner während eines laufendenden Restrukturierungsplanverfahrens trotz des Ruhens der Antragspflichten vor der Anzeige an das Restrukturierungsgericht direkt einen Insolvenzantrag, hebt das Restrukturierungsgericht das Restrukturierungsverfahren ebenfalls auf (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG).

Ist ein Gläubigerantrag während des StaRUG-Verfahrens möglich?

Das Recht der Gläubiger, einen Fremdantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, bleibt grundsätzlich auch während Maßnahmen nach dem StaRUG erhalten.

Die praktische Relevanz von Fremdanträgen dürfte allerdings gering sein. Eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung hat der Schuldner – wie oben dargestellt – dem Gericht ohnehin anzuzeigen, was in aller Regel eine Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens nach sich zieht.

Die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 Abs. 2 InsO), deren Vorliegen den Weg ins Restrukturierungsverfahren überhaupt erst ermöglicht (§ 29 Abs. 1 StaRUG), berechtigt lediglich zum Eigenantrag des Schuldners. Ein entsprechender Gläubigerantrag ist unzulässig.

Ist eine Stabilisierungsanordnung ergangen, so wird das Verfahren über Fremdanträge gemäß § 58 StaRUG ausgesetzt.

Dr. Dominik Pauw ist Rechtsanwalt in unserem Münchener Büro. Er berät national und international tätige Unternehmen in sämtlichen Fragen des Insolvenzrechts und der Restrukturierung.

Einen weiteren Tätigkeitsschwerpunkt bildet die Beratung von Vorständen, Geschäftsführern, Aufsichtsräten und anderen persönlich verantwortlichen Entscheidungsträgern, insbesondere in Krisen oder krisennahen Sondersituationen.

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