Anleiherestrukturierung im StaRUG – eine gleichwertige Alternative zum Schuldverschreibungsgesetz | StaRUG-Blog | GÖRG Blog

Anleiherestrukturierung im StaRUG – eine gleichwertige Alternative zum Schuldverschreibungsgesetz

Anleihen sind in Deutschland insbesondere für mittelständische Unternehmen als alternative Finanzierungsform zum klassischen Bankdarlehen etabliert. Gerät der Emittent in die Krise und kann die Anleihe nicht wie vereinbart zurückzahlen, kann eine Restrukturierung der Anleihe notwendig sein.

Bislang standen hierfür nur die Instrumente des Schuldverschreibungsgesetzes (SchVG) zur Verfügung. Das SchVG eignet sich aber nicht für alle Anleihen und Situationen. Mit dem StaRUG gibt es nun eine flexible Alternative für die Anleiherestrukturierung.

Das wirft jedoch eine Reihe von Fragen auf.

anleiherestrukturierung_starug-1.jpg Quelle: Jason Briscoe on unsplash.com

Auf einen Blick:

  • Anleihen können auch in einem StaRUG-Verfahren umfassend restrukturiert werden.
  • Die Anleiherestrukturierung im Restrukturierungsplan nach StaRUG oder nach den Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes stehen gleichwertig nebeneinander.
  • Welche Alternative günstiger ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
  • Entscheidend ist häufig, ob bereits ein gemeinsamer Vertreter bestellt ist.
  • Beide Verfahrenstypen (StaRUG und SchVG) können parallel durchlaufen und miteinander verzahnt werden.

1. Welche Möglichkeiten zur Restrukturierung einer Anleihe bietet das StaRUG?

Die Restrukturierungsmaßnahmen für die Rechte der Anleihegläubiger im Restrukturierungsplan sind in §§ 2 und 3 StaRUG geregelt. Es können insbesondere

  • die Restrukturierungsforderungen der Anleihegläubiger auf Rückzahlung und Zinsen gestaltet werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG),
  • die Anleihebedingungen geändert (§ 2 Abs. 2 S. 1 StaRUG) und
  • in gruppeninterne Drittsicherheiten eingegriffen werden.

Mit Ausnahme der Schuldnerersetzung gem. § 5 Abs. 3 Nr. 9 SchVG können somit in einem Restrukturierungsplan nach den Regelungen des StaRUG alle im Schuldverschreibungsgesetz (§ 5 Abs. 3 SchVG) aufgeführten Maßnahmen beschlossen werden.

2. Welche Vorteile hat eine Anleiherestrukturierung im StaRUG gegenüber dem SchVG?

Die Restrukturierung nach dem StaRUG und dem SchVG stehen grundsätzlich gleichrangig nebeneinander.

Im Gegensatz zum schuldverschreibungsrechtlichen Restrukturierungsverfahren, das für jede Anleihe getrennt durchlaufen werden muss, können beim StaRUG-Verfahren sämtliche Anleihen eines Emittenten in den einen Restrukturierungsplan einbezogen werden. Dies erscheint effizienter und kostengünstiger. Zudem bietet das StaRUG-Verfahren die Möglichkeit, nach den Anleihebedingungen fällig werdende Anleiheverbindlichkeiten – insbesondere für Zinsen und die Rückzahlung der Schuldverschreibungen – einer gerichtlich angeordneten Vollstreckungssperre (§ 49 I Nr. 1 StaRUG) zu unterwerfen. Eine vergleichbare Möglichkeit ist im SchVG nicht vorgesehen.

Des Weiteren ist das Rechtsschutzregime gegen den Bestätigungsbeschluss des Restrukturierungsplans mit der sofortigen Beschwerde gem. § 66 StaRUG gegenüber der dem Aktienrecht angelehnten Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Anleihegläubiger gem. § 20 SchVG weniger blockadefreundlich.

Mit dem StaRUG können außerdem auch Anleihen restrukturiert werden, für die die Restrukturierungsinstrumente des SchVG nicht greifen (etwa ausländische Anleihen oder inländische Anleihen, bei denen §§ 5 ff. SchVG nicht in die Anleihebedingungen einbezogen wurden).

3. Welche Mehrheitserfordernisse gelten bei der Anleiherestrukturierung im StaRUG?

Zur Annahme eines Restrukturierungsplans die Annahme des Restrukturierungsplans durch jede Gruppe mit mindestens 75 % der Stimmrechte erforderlich (§ 25 Abs. 1 StaRUG). Die Stimmrechte richten sich grundsätzlich für die Anleihegläubiger nach dem Betrag ihrer Forderungen zzgl. aufgelaufener Zinsen (§ 24 Abs. 1 StaRUG).

Das Mehrheitserfordernis bezieht sich auf alle Forderungen der jeweiligen Gruppe, nicht nur auf die bei der Abstimmung anwesenden Gläubiger

Praxistipp: Bei Publikumsanleihen wird die Mehrheit von 75 % der ausstehenden Forderungen regelmäßig nicht erreicht werden, da bereits das Erreichen eines 25 %-Quorums für die Beschlussfähigkeit in einer zweiten schuldverschreibungsrechtlichen Anleihegläubigerversammlung regelmäßig Schwierigkeiten bereitet. Hier hilft die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, der die Stimmrechte der Anleihegläubiger gesammelt und einheitlich geltend macht.

4. Gibt es im StaRUG-Verfahren einen gemeinsamen Vertreter für die Anleihegläubiger?

Wenn ein Schuldner Forderungen aus Schuldverschreibungen in ein Instrument des StaRUG einbezieht, können die Anleihegläubiger einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen. Das Restrukturierungsgericht beruft hierzu eine Anleihegläubigerversammlung ein. Gibt es schon vorher einen gemeinsamen Vertreter, behält dieser seine Funktion.

Der gemeinsame Vertreter ist dann allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Anleihegläubiger im Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG geltend zu machen.

Die Details der Bestellung des gemeinsamen Vertreters im Rahmen des StaRUG-Verfahrens sind rechtlich noch nicht abschließend geklärt. Nach ersten Gerichtsentscheidungen und Erkenntnissen aus der Praxis spricht viel dafür, dass der gemeinsame Vertreter mit der einfachen Mehrheit der Forderungen gewählt werden kann und es kein Quorum für die Gläubigerversammlung gibt, weil nach den Regeln für Gläubigerversammlungen in der Insolvenz abgestimmt wird (§§ 76 ff. InsO analog).

Praxistipp: Das SchVG ist insoweit deutlich strenger und fordert eine Mehrheit 75 % der Abstimmenden bei einem Beschlussfähigkeitsquorum von 50 % (1. Versammlung) bzw. 25 % (2. Versammlung). Bei schwierigen Mehrheitsverhältnissen oder Publikumsanleihen mit typischerweise geringer Anwesenheitsquote kann das für eine Anleiherestrukturierung im StaRUG sprechen.

5. Können die Anleihegläubiger überstimmt werden?

Bei der Einbeziehung von Anleihen in den Restrukturierungsplan nach dem StaRUG besteht die Möglichkeit, die den Restrukturierungsplan ablehnenden Gläubigergruppen im Wege der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung (Cross Class Cram Down) zu überstimmen. Eine solche Überstimmung gem. § 26 StaRUG kommt dann in Betracht, wenn

  1. die Betroffenen durch den Plan nicht schlechter gestellt werden als sie ohne Plan stünden,
  2. sie angemessen am wirtschaftlichen Wert der Restrukturierung beteiligt werden und
  3. die Mehrheit der Gruppen zugestimmt hat.

Daneben kommt der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach den Regelungen des SchVG, der die Rechte sämtlicher Anleihegläubiger bei der Abstimmung wahrnimmt, Bedeutung zu.

6. Können die Verfahren nach StaRUG und SchVG parallel durchgeführt werden?

Parallel zum Restrukturierungsplan kann eine Anleihe nach Maßgabe des SchVG restrukturiert werden, wenn die Anleihegläubiger nicht in den Restrukturierungsplan einbezogen werden.

Praxistipp: Da die Umsetzung der einen Maßnahme regelmäßig von der Wirksamkeit der jeweils anderen abhängen soll, sind sie folgendermaßen miteinander zu verknüpfen: Der Vollzug der gefassten Beschlüsse der Anleihegläubiger wird an die Bedingung geknüpft, dass der Restrukturierungsplan bestätigt worden ist. Umgekehrt wird der Restrukturierungsplan die Bedingung (§ 62 StaRUG) enthalten, dass dieser erst dann zu bestätigen ist, wenn die Beschlüsse nach dem SchVG wirksam gefasst worden sind.

7. Anleiherestrukturierung im SchVG oder StaRUG?

Ob eine Anleiherestrukturierung nach den Regelungen des StaRUG oder des SchVG sinnvoller ist, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab.

Wesentliche Aspekte sind dabei, ob die die Restrukturierungsinstrumente des SchVG für die Anleihe anwendbar sind, welche Zustimmungsquoten erwartet werden, wie sich die Gläubigergruppen des Restrukturierungsplans zusammensetzen und wie dort die Stimmen bzw. Forderungen verteilt sind. Entscheidungserheblich wird regelmäßig auch sein, ob bereits ein gemeinsamer Vertreter für alle Anleihegläubiger in den Anleihebedingungen oder durch einen vorherigen Beschluss der Anleihegläubiger bestellt worden ist.

Dr. Dominik Pauw ist Rechtsanwalt in unserem Münchener Büro. Er berät national und international tätige Unternehmen in sämtlichen Fragen des Insolvenzrechts und der Restrukturierung.

Einen weiteren Tätigkeitsschwerpunkt bildet die Beratung von Vorständen, Geschäftsführern, Aufsichtsräten und anderen persönlich verantwortlichen Entscheidungsträgern, insbesondere in Krisen oder krisennahen Sondersituationen.

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Dr. Lutz Pospiech berät national und international tätige Unternehmen im Bereich Aktien- und Kapitalmarktrecht. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Kapitalmarkttransaktionen, kapitalmarktrechtliche Compliance und M&A.

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