Vorsatzanfechtung – Verteidigungschancen deutlich verbessert | StaRUG-Blog | GÖRG Blog

Vorsatzanfechtung – Verteidigungschancen deutlich verbessert

Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung seine Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO neu ausgerichtet. Die Anforderungen für diesen in der Praxis äußerst relevanten Anfechtungstatbestand wurden merklich erhöht.

Der nachfolgende Beitrag soll dem Leser einen Überblick über die wesentlichen Neuerungen verschaffen.

bgh_zur_vorsatzanfechtung.jpg Quelle: Tingey Injury Law Firm on unsplash.com

Was ist Vorsatzanfechtung?

Die Vorsatzanfechtung ist eine Form der Insolvenzanfechtung. Mit ihr kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen rückgängig machen, die der Schuldner oder ein Gläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat. So kann der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse anreichern und die eingezogenen Werte an die Gläubiger des Insolvenzverfahrens auskehren.

Die Vorsatzanfechtung reicht besonders weit. Anfechtbar können Rechtshandlungen sein, die bis zu zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag stattgefunden haben. Voraussetzung ist unter anderem aber, dass der Schuldner den Vorsatz hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen. Außerdem muss der Anfechtungsgegner (also meist der Empfänger des Vermögensgegenstands) von diesem Vorsatz gewusst haben.

Beispiel für Vorsatzanfechtung:

Der Geschäftsführer überträgt das Immobilienvermögen einer zahlungsunfähigen Gesellschaft ohne Gegenleistung auf eine andere verwandte Gesellschaft, um es dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen und die Empfänger kannten alle Umstände.

Anforderungen an Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nun strenger

Die Vorsatzanfechtung kommt also nur in Betracht, wenn der Schuldner durch seine Handlung seine Gläubiger vorsätzlich benachteiligt hat. Man spricht vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz.

Wann lag Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bisher vor?

In der Praxis musste der Insolvenzverwalter bislang lediglich die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu einem bestimmten Zeitpunkt nachweisen, um so den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu belegen. Die Rechtsprechung zog aus der zum Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung erkannten eigenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners den Schluss, dieser habe die Rechtshandlung mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen. Denn wisse der Schuldner um den Umstand, dass er nicht wird alle seine Gläubiger befriedigen können, und leiste er in dieser Situation an einen seiner Gläubiger, nehme er zugleich die Benachteiligung der anderen Gläubiger billigend in Kauf. Zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit genügte der Insolvenzverwalter daher seinen Pflichten, soweit er eine Zahlungseinstellung zum relevanten Zeitpunkt belegen konnte. Die Zahlungseinstellung wiederum konnte der Verwalter anhand eines bunten Blumenstraußes an Indizien belegen.

Inwiefern hat der BGH die Anforderungen nun erhöht?

Dieser Automatismus greift nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch zu kurz.

Eine akute Zahlungsunfähigkeit allein spreche für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nur noch dann, wenn sie ein solches Ausmaß angenommen habe, dass eine vollständige Befriedigung der übrigen Gläubiger auch in Zukunft nicht zu erwarten sei. Dies sei etwa anzunehmen, wenn ein Insolvenzverfahren nur noch unausweichlich erscheint.

Sei die Krise hingegen noch nicht so weit fortgeschritten oder dürfe der Schuldner aus anderen Gründen berechtigte Hoffnung auf Besserung haben, reiche die Feststellung der akuten Zahlungsunfähigkeit nicht aus, um den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zu belegen.

Entscheidend sei mithin, ob der Schuldner wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, dass er seine übrigen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen könne.

Zahlungsverzögerung allein ist meist keine Zahlungseinstellung

Zwar lässt sich also aus der Zahlungsunfähigkeit allein nicht mehr per se darauf schließen, dass der Schuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte. Dennoch bleibt die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit insoweit ein zentrales Indiz. Insolvenzverwalter versuchen die Zahlungsunfähigkeit in der Regel darzulegen, indem sie auf eine Zahlungseinstellung hinweisen. Der Senat konkretisierte daher den Maßstab, nach dem eine Zahlungseinstellung zu bemessen ist.

Entscheidend sei die am Beweismaß des § 286 ZPO zu messende, in umfassender und widerspruchsfreier Würdigung des Prozessstoffs zu gewinnende Überzeugung, der Schuldner könne aus Mangel an liquiden Zahlungsmitteln nicht zahlen.

Eine besonders aussagekräftige Grundlage für diese Überzeugung seien eigene Erklärungen des Schuldners. Erkläre dieser, eine fällige und nicht unbeträchtliche Verbindlichkeit nicht binnen drei Wochen befriedigen zu können, werde in aller Regel von einer Zahlungseinstellung des Schuldners im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung auszugehen sein. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

Fehle es jedoch an einer Erklärung des Schuldners, müssen die für eine Zahlungseinstellung sprechenden Umstände ein der Erklärung entsprechendes Gewicht erreichen. Zahlungsverzögerungen allein, auch wenn sie wiederholt aufträten, reichten hierfür häufig nicht aus. Dies aber wurde zumindest von den Instanzgerichten bislang so gewertet.

Praxishinweis von Dr. Raul Taras:

Damit erteilt der Bundesgerichtshof der Praxis mancher Insolvenzverwalter, die auch schon bei Vorliegen einer nur „schwachen“ Zahlungsunfähigkeit den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners als belegt ansahen und sich hierfür weniger Indizien für den Nachweis einer Zahlungseinstellung bedienten, eine Absage und erweitert das Repertoire der Verteidigung gegen die Vorsatzanfechtung.

Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz: Schwelle ebenfalls erhöht

Die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO setzt weiterhin voraus, dass der Anfechtungsgegner zum Zeitpunkt der Rechtshandlung des Schuldners dessen Benachteiligungsvorsatz kannte. Nach der bisherigen Rechtsprechung wurde die Kenntnis bereits dann angenommen, wenn der Anfechtungsgegner Umstände kannte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen.

Auch in dieser Hinsicht hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen für eine Anfechtung nach § 133 InsO gleich in zweierlei Hinsicht angezogen:

Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit allein genügt nicht per se

Die Kenntnis des Anfechtungsgegners allein von Umständen, die auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen lassen, reiche nicht mehr per se aus, um eine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes festzustellen.

Auch hier soll gelten: War nach den dem Anfechtungsgegner bekannten Umständen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht evident und durfte der Anfechtungsgegner weiter davon ausgehen, dass der Schuldner seine Gläubiger zumindest in Zukunft befriedigen können wird, lag keine Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes vor. Insofern stellt der Bundesgerichtshof auch hier auf die Intensität der Zahlungsunfähigkeit bzw. der darauf hindeutenden Indizien ab.

Anfechtungsgegner haben damit auch an dieser Stelle eine weitere Verteidigungslinie gegen eine Vorsatzanfechtung erhalten.

Anfechtungsgegner muss seltener beweisen, dass Zahlungen wieder aufgenommen wurden

Auch an weiterer Stelle erleichtert der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil die Verteidigung gegen Ansprüche aus Vorsatzanfechtung.

Denn hatte der Insolvenzverwalter zu einem Zeitpunkt einmal eine Zahlungsunfähigkeit und die Kenntnis hiervon nachgewiesen, war der Anfechtungsgegner nach der (bisherigen) Rechtsprechung dafür beweisbelastet, dass für spätere Zahlungen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wieder entfallen sei. Hierfür sollte der Anfechtungsgegner regelmäßig nachweisen, dass der Schuldner seine Zahlungen insgesamt wiederaufgenommen habe. Dies aber ist beispielsweise für einen Lieferanten, der keinen Einblick in das schuldnerische Unternehmen hat, nahezu unmöglich.

Daher sei, so der Senat in seiner Entscheidung, diese Vermutung in der Vergangenheit zu undifferenziert angewandt worden. Richtigerweise hingen Stärke und Dauer der Vermutung davon ab, in welchem Ausmaß die Zahlungsunfähigkeit zu Tage getreten sei. Dies gelte insbesondere für den Erkenntnishorizont des Anfechtungsgegners. Sein Wissen um die Liquidität bleibe in den meisten Fällen hinter den Erkenntnissen des Schuldners zurück. Nur dann, wenn aus dem Zahlungsverhalten des Schuldners oder anderer zur Kenntnis des Anfechtungsgegners gelangter Umstände auf Liquiditätsschwierigkeiten in einem Ausmaß zu schließen sei, dass aus objektiver Sicht eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens ausgeschlossen oder ein Insolvenzverfahren unabwendbar erscheinen lasse, sei es legitim, die Beweislast dem Anfechtungsgegner aufzubürden.

Fazit

Der für das Insolvenzrecht zuständige und zuletzt neu formierte neunte Zivilsenat des Bundesgerichtshofes springt mit dieser Entscheidung den Anfechtungsgegnern bei und erweitert die Verteidigungsmöglichkeiten deutlich. Es bleibt abzuwarten, wie diese Rechtsprechung nun instanz- und obergerichtlich ausgeformt wird.

Dr. Raul Taras berät national und international tätige Unternehmen und Insolvenzverwalter in sämtlichen Fragen des Insolvenzrechts und begleitet die Beteiligten in allen Stadien der Restrukturierung. Einen weiteren Tätigkeitsschwerpunkt bildet die Prozessführung in insolvenznahen Sachverhalten. Hierzu gehört sowohl die Geltendmachung als auch die Abwehr von Ansprüchen im Zusammenhang mit Insolvenzanfechtung und Organhaftung.

Dr. Taras ist zudem ständiger Co-Autor der NJW-Spezial für die Rubrik Insolvenzrecht.

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