Die Steuerstundungen aufgrund der Corona-Pandemie laufen am 30. September 2021 aus. Hier erfahren Sie, welche Anforderungen Geschäftsleiter, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer beachten müssen, um Haftungsrisiken zu vermeiden.
Das Wichtigste im Überblick:
- Zum 30. September 2021 laufen die Corona-Steuerstundungen aus. Dies wird die Liquidität vieler betroffener Unternehmen erheblich belasten.
- Geschäftsleiter müssen aufgrund ihrer Insolvenzantragspflicht bereits jetzt prüfen, ob die Zahlungsfähigkeit auch nach Fälligwerden der Steueransprüche am 01. Oktober 2021 noch gewährleistet sein wird.
- Andernfalls drohen strafrechtliche Sanktionen und eine empfindliche persönliche Haftung wegen Insolvenzverschleppung.
- Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die mit Steuerstundungen oder der Jahresabschlusserstellung bei betroffenen Unternehmen betraut sind, sollten ihre Mandanten auf diese Anforderungen zum Schutz vor eigener Haftung eindringlich hinweisen und dies dokumentieren.
Inhalt
Corona-Steuerstundungen laufen zum 30. September 2021 aus
Die Gewährung von Steuerstundungen unter erleichterten Voraussetzungen ist ein wichtiges steuerpolitisches Instrument zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie.
Rechtliche Grundlage der Corona-Steuerstundungen
Bereits durch Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 19. März 2020 wurde eine bundesweit einheitliche Regelung zur vereinfachten Gewährung von Steuerstundungen geschaffen. Sie richtete sich an nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffene Unternehmen. Diese konnten unter Darlegung ihrer Verhältnisse Stundungen für fällige oder fällig werdende Steuern beantragen. An den Nachweis der Voraussetzungen waren hierbei keine strengen Anforderungen zu stellen, insbesondere mussten die COVID-19 bedingten Schäden wertmäßig nicht im Einzelnen nachgewiesen werden.
Welche Steuern wurden gestundet?
Gegenstand dieser Regelung waren die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern, also
- Umsatz-,
- Einkommens-,
- Körperschafts- und
- Kirchensteuer sowie
- der Solidaritätszuschlag.
Für reine Landessteuern (z.B. Erbschaft- und Schenkungsteuer, Grunderwerbsteuer) oder kommunale Steuern (z.B. Gewerbesteuer, Grundsteuer) waren häufig Stundungen auf Grundlage spezieller Regelungen der Bundesländer oder Kommunen möglich.
Für welchen Zeitraum gilt die Corona-Steuerstundung?
Das BMF-Schreiben vom 19. März 2020 hatte zunächst eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2020 und betraf alle bis zu diesem Zeitpunkt fälligen Steuern. Aufgrund der weiteren Entwicklung der Pandemie verlängerte das BMF die Maßnahmen später mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 18. März 2021. Darin wurde die Regelung auf Steuerzahlungen ausgedehnt, die bis zum 30. Juni 2021 fällig werden, wobei die Stundung im vereinfachten Verfahren bis zum 30. September 2021 gewährt werden konnte. Über den 30. September 2021 hinaus können Ratenzahlungsvereinbarungen mit einer Laufzeit längstens bis zum 31. Dezember 2021 geschlossen werden.
Massive Liquiditätsbelastung für Unternehmen zu erwarten
Viele Unternehmen waren aufgrund der gravierenden Folgen der COVID-19-Pandemie sowie des Lockdowns gezwungen, von diesen Stundungsmöglichkeiten umfangreich Gebrauch zu machen. Mit Fälligwerden der gestundeten Forderungen am 01. Oktober 2021 kommt es für diese Unternehmen zu einer erheblichen Liquiditätsbelastung, die sich durch Ratenzahlungsvereinbarungen bis längstens zum 31. Dezember 2021 nur eingeschränkt abmildern lässt. Ob, etwa vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl, die Stundungsmöglichkeiten abermals über den 30. September 2021 hinaus verlängert werden, bleibt abzuwarten.
Haftungsrisiken für Geschäftsleiter wegen Steuerstundungen
Mehr zur Insolvenzantragspflicht
Nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO sind die Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Rechtsträger (z.B. GmbH, GmbH & Co. KG oder AG) verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet wird. Die Höchstfristen von drei Wochen bei Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen bei Überschuldung dürfen nur ausgereizt werden, solange sich das Aufschieben der Insolvenzantragstellung nicht als schuldhaft erweist, z.B. weil aussichtsreiche Sanierungsbemühungen verfolgt werden. Die Verletzung der Insolvenzantragsplicht ist strafbar und begründet eine weitreichende persönliche Haftung der Geschäftsleiter.
Zum einen kann eine Antragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) bestehen, wenn die betroffene Gesellschaft bei Fälligwerden der Steuerforderungen nicht über ausreichende Liquidität verfügt, um diese und alle sonstigen fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen.
Zum anderen müssen Geschäftsleiter womöglich wegen Überschuldung (§ 19 InsO) einen Insolvenzantrag stellen. Dies kann häufig schon wesentlich früher der Fall sein, nämlich dann, wenn die positive Fortbestehensprognose für das Unternehmen entfällt. Eine die Überschuldung ausschließende positive Fortbestehensprognose liegt vor, wenn die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Unter bestimmten Voraussetzungen verkürzt sich dieser Prognosezeitraum nach § 4 COVInsAG für Unternehmen, die von der COVID-19-Pandemie besonders schwer betroffen sind, auf vier Monate. Die Fortbestehensprognose ist nach herrschender Meinung eine Zahlungsfähigkeitsprognose, d.h. es muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sichergestellt sein, dass die Gesellschaft im maßgeblichen Zeitraum nicht zahlungsunfähig im Sinne des § 17 InsO wird. Entfällt die positive Fortbestehensprognose, ist die Gesellschaft in der Praxis regelmäßig überschuldet und damit insolvenzantragspflichtig, weil bei der dann gebotenen Bewertung zu Liquidationswerten ihr Vermögen meist die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.
Praxishinweis von Rechtsanwalt Dr. Karl-Friedrich Curtze:
Sofern nicht ausgeschlossen erscheint, dass mit Fälligwerden der gestundeten Steuerforderungen am 01. Oktober 2021 Liquiditätslücken auftreten, müssen die Geschäftsleiter daher bereits jetzt umgehend anhand einer Liquiditätsplanung ermitteln, ob die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft in dem maßgeblichen Prognosezeitraum (12 Monate; bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 COVInsAG 4 Monate) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sichergestellt werden kann. Dabei ist auch die im BMF-Schreiben vorgesehene Möglichkeit von Ratenzahlungsvereinbarungen bis Ende des Jahres 2021 in den Blick zu nehmen. Um eine Insolvenzverschleppung und die damit verbundene persönliche Haftung der Geschäftsleiter auszuschließen, ist die positive Fortbestehensprognose laufend sorgfältig zu dokumentieren.
Haftungsrisiken für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
Werden die möglichen insolvenzrechtlichen Folgen des Auslaufens der Steuerstundungen zum 30. September 2021 nicht beachtet, so birgt dies auch für die beauftragten Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erhebliche Haftungsrisiken.
Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer müssen beim Erstellen eines Jahresabschlusses stets prüfen, ob tatsächliche oder rechtliche Umstände der Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Maßgeblich sind die ihnen zur Verfügung stehenden Unterlagen und die ihnen sonst bekannten Umstände. So sieht es die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor.
Bei Zahlungsfähigkeit oder Überschuldung ist eine Bilanzierung zu Fortführungswerten regelmäßig unzulässig. Außerdem hat der Steuerberater den Mandanten auf einen möglichen Insolvenzgrund sowie die daran anknüpfende Prüfungspflicht des Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife dem Mandanten nicht bewusst ist. Diese Rechtsprechung ist inzwischen in § 102 StaRUG kodifiziert worden. Bei Verletzung dieser Verpflichtung kommt eine Haftung des Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfer für Insolvenzverschleppungsschäden in Betracht.
Praxishinweis von Steuerberater Björn Epler:
Sofern die zum 30. September 2021 fällig werdenden Steuerforderungen ein in Hinblick auf die Verhältnisse des konkreten Unternehmens kritisches Volumen erreichen, dürfte dies ein Umstand sein, der zu entsprechenden Warn- und Hinweispflichten führt und auch im Rahmen der Jahresabschlusserstellung berücksichtigt werden muss. Der beauftragte Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer sollte daher zur eigenen Absicherung den Mandanten auf die hier beschriebenen Anforderungen hinweisen und dies entsprechend dokumentieren.
Dr. Karl-Friedrich Curtze
Autor dieses Beitrags
Dr. Karl-Friedrich Curtze ist Assoziierter Partner im Hamburger Büro der GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB. Er berät zu sämtlichen Fragen des Restrukturierungs-, Gesellschafts- und Insolvenzrechts. Schwerpunkte seiner Tätigkeit bilden Unternehmensverkäufe innerhalb wie außerhalb von Krise und Insolvenz sowie Unternehmensrestrukturierungen insbesondere auch in Eigenverwaltungsverfahren. Herr Dr. Curtze verfügt über umfangreiche Erfahrung im Bereich komplexer Carve-Out-Strukturen.
Björn Epler
Autor dieses Beitrags
Björn Epler ist assoziierter Partner der Steuerberatungsgesellschaft BWLS an unserem Hamburger Standort. Als Fachberater für Restrukturierung und Unternehmensplanung (DStV e.V.) begleitet er seit vielen Jahren Restrukturierungs- und Insolvenzverfahren an der Schnittstelle zum Insolvenzsteuerrecht und bearbeitet hierbei regelmäßig Fragestellungen zur Ertrag- und Umsatzbesteuerung. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt neben der Prüfung von handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschlüssen in der steuerlichen Beratung von national und international tätigen Unternehmen insbesondere in den Branchen Erneuerbare Energien, Kultur und Medien sowie im Immobiliensektor. Zudem hat er sich das steuerliche Verfahrensrecht spezialisiert und führt regelmäßig Verfahren vor den Finanzgerichten.