Das Bundeskabinett hat ein weiteres Mal einen Gesetzgebungsentwurf zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beschlossen. Abgesehen davon, dass tatbestandlich hiervon nur eine sehr geringe Zahl von Unternehmen profitiert, ist die Maßnahme gut gemeint, allein in der Praxis hilft sie den meisten Unternehmen nicht.
Aktuelle Fälle wie Adler, Arko oder Maredo zeigen: Wenn Unternehmen kein Geld mehr in der Kasse haben, ist nichts mehr zu retten. Schlimmer noch. Das moderne deutsche Insolvenzrecht, das sich in den letzten zehn Jahren zu einer echten Sanierungsordnung entwickelt hat, droht so um Jahrzehnte in die Zeit der Konkursordnung und des Zerschlagungswesens zurückgeworfen zu werden.
Auch das StaRUG kann in Fällen leerer Kassen nicht helfen. Schon, dass der Zugang bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit verschlossen ist; auch das Fehlen leistungswirtschaftlicher Maßnahmen (Vertragsbeendigung, arbeitsrechtliche Restrukturierung) macht das StaRUG in diesen Fällen zu einem stumpfen Schwert.
Gegenvorschlag zur erneuten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Meines Erachtens muss die Lösung eine andere sein: Wir müssen die Optionen im Insolvenzverfahren besser an die pandemische Entwicklung anpassen.
Wir brauchen hier die Option eines "Ruhens des Geschäftsbetriebes".
Unternehmen, die aktuell und aufgrund der Einschränkungen ohne Geschäftsbetrieb dastehen, müssten in eine Art "Dornröschenschlaf" versetzt werden können. Dies wäre mit mikroinvasiven Eingriffen in die InsO und angrenzende Gesetze, nämlich deren Ergänzung um das aus dem Steuerrecht bekannte Modell des `Ruhenden Geschäftsbetriebes´ ohne weiteres möglich.
Erforderlich und zu regeln wäre:
- Uneingeschränkte Kurzarbeitergeld-Berechtigung während des Ruhens im Anschluss an die - nicht allein an die Fortführung, sondern auch an die Vorbereitung des Ruhens geknüpfte - Gewährung des Insolvenzgeldes
- Ruhen der Obliegenheit zur Ausübung des Vertragserfüllungswahlrechts nach § 103 InsO für die Dauer des Ruhens des Geschäftsbetriebes und Suspendierung vertraglicher Leistungs-/Erfüllungspflichten während der Schwebezeit
- Stundung sämtlicher betriebsbezogener Masseverbindlichkeiten (Forderungen aus LuL, Miete etc.) für die Dauer des Ruhens des Geschäftsbetriebes
- Zeitlich befristete Kündigungssperre für Verträge, wenn gestundete Masseverbindlichkeiten nach Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes nicht sofort, sondern nach Maßgabe eines Liquiditätsplanes ratierlich zurückgeführt werden
- Ob das Ruhen des Geschäftsbetriebes einzelne Tätigkeiten in vermindertem Umfang zulässt (z.B. to go Service des Restaurants, einzelne Übernachtungen im Hotel-/Gastgewerbe) wäre zu diskutieren, im Zweifel aber zuzulassen, um das Wiederanfahren zu erleichtern
- Im Anschluss an das Wiederanfahren erleichterter Zugang zum Insolvenzplan durch Typisierung der Vergleichsrechnung zur Vermeidung der Zerschlagungsoption
Vorteile dieses Gegenvorschlags gegenüber der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Durch die `Ruheoption´ in der Insolvenzordnung (InsO) würde die Zerschlagung von Unternehmen und die nachhaltige Beschädigung marktwirtschaftlicher Strukturen vermieden. Der Status quo ante würde konserviert und damit beste Voraussetzungen geschaffen, um die Unternehmen nach der Pandemie mit erleichterten Voraussetzungen wiederzubeleben.
Lesen Sie passend dazu auch den aktuellen Handelsblatt-Gastkommentar "Für ein neues Insolvenzrecht" von Gerrit Hölzle und Stephan Madaus (Professor für deutsches und ausländisches Insolvenzrecht an der Uni Halle): zum Artikel.
Prof. Dr. habil. Gerrit Hölzle
Autor dieses Beitrags
Fachanwalt für Insolvenzrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht Prof. Dr. Hölzle ist Leiter unserer Serviceline Insolvenzrecht und seit vielen Jahren in Wissenschaft und Praxis ausgewiesen. Er hat bundesweit durch die Übernahme von Organfunktionen in großen Eigenverwaltungsverfahren (Senvion GmbH, KSM Castings Group GmbH, Bonita GmbH, Auot Wichert GmbH, KTG Energie AG) auf sich aufmerksam gemacht und gilt als einer der führenden Experten für komplexe Insolvenzplanstrukturen.